Ergotherapie im Web

DeepL als Möglichkeit ergotherapeutische Studien in anderen Sprachen besser zu verstehen

Einleitung

Viele Praktiker*innen kennen die folgende Problemlage: Am aktuellen Stand soll man sein, seine therapeutische Dienstleistung soll man erbringen, am besten evidenzbasiert, klientenzentriert, mit SMARTen Zielen versehen und nachvollziehbar dokumentiert. Und für evidenzbasierte Arbeit soll man Fortbildungen besuchen und im Idealfall Forschungsarbeiten lesen, beurteilen und die Erkenntnisse umsetzen – bei all dem sind natürlich die kleinen Dinge, die ohnehin im Arbeitsalltag noch dazu kommen gar nicht mitgedacht. Und wenn die zu lesende Arbeit dann noch in Englisch ist, liegt die Latte gleich nochmals ein bisschen höher. Vielleicht höher als sie muss… (Artikelbild von Franck V. via Unsplash)

Was ist DeepL und was macht es?

DeepL ist ein webbasierter Übersetzungsservice einer deutschen Firma, der prinzipiell frei nutzbar ist. Die DeepL-GmbH nannte sich früher Linguee GmbH und betreibt nach wie vor noch die Website linguee.com, hauptsächlich ein Englisch-Deutsch-Wörterbuch. DeepL nutzt maschinelles Lernen, genauer gesagt Convolutional Neural Networks, um eingegebenen Text zu übersetzen…und zwar in einem Rechenzentrum in Island, also im EU-Raum (Stichwort: Datenschutzgrundverordnung DSGVO).

Zusätzlich zur frei zugänglichen Variante lässt sich eine umfangreichere Version des Service – DeepL-Pro – auch als Abonnement beziehen, Zielgruppe sind hier zum Beispiel professionelle Übersetzungsbüros die „technische Vorarbeit“ leisten wollen.

Eine Übersicht über die Funktionen beider Services ist in den DeepL-FAQ’s zu finden. Mit der kostenlosen Version lassen sich neben Text, den man in das Übersetzungsfeld kopiert, auch PowerPoint- und Word-Dateien übersetzen, DeepL-Pro bietet zusätzlich die Funktion der Übersetzung von .txt-Dateien. Zusätzlich unterscheiden sich die Angebote bezogen auf die Speicherungsdauer der Übersetzungen und die Verwendung der, bei der Übersetzung anfallenden, Daten.

CAVE: DeepL ist nicht zur Übersetzung von Texten konzipiert, die personenbezogene Daten beinhalten, weitere Informationen dazu finden sich in der Datenschutzerklärung von DeepL.

Wie gut funktioniert DeepL?

Ich halte den Service für gut genug um Forschungsarbeiten, beziehungsweise deren Abstracts, in die deutsche Sprache zu übersetzen um sich einen guten Überblick über die Inhalte zu verschaffen. Ich werde das nachfolgend mit dem Abstract einer, bei PubMed-Central frei zugänglich veröffentlichten, Arbeit zum Thema „Gartentherapie im palliativen Setting“ illustrieren.

Masel, E. K., Trinczek, H., Adamidis, F., Schur, S., Unseld, M., Kitta, A., . . . Watzke, H. H. (2018). Vitamin „G“arden: a qualitative study exploring perception/s of horticultural therapy on a palliative care ward. Support Care Cancer, 26(6), 1799-1805. doi: 10.1007/s00520-017-3978-z

Der Originaltext des Abstract in Englisch

Purpose

In a palliative care setting, the preservation of quality of life is of particular importance. Horticultural therapy (HT) is reported as an excellent way to improve physical as well as psychological well-being, reduce levels of anxiety and depression, and promote social interaction. The use of horticultural interventions in palliative care has not yet been explored. The aim of this study was to explore the effects of HT in patients and team members on a palliative care ward.

Methods

This study was based on a qualitative methodology, comprising 20 semistructured interviews with 15 advanced cancer patients participating in HT and with 5 members of the palliative care team. Interviews were analyzed using NVivo 10 software based on thematic analysis.

Results

The results revealed the following themes: (1) well-being, (2) variation of clinical routine, (3) creation, and (4) building relationships. Patients experienced positive stimulation through HT, were distracted from daily clinical routines, enjoyed creative work, and were able to build relationships with other patients. HT was also welcomed by the members of the palliative care team. Thirty-six percent of the patients did not meet the inclusion criteria, and 45% could not participate in the second or third HT session.

Conclusions

Our study showed that the availability of HT was highly appreciated by the patients as well as by the palliative care team. Nevertheless, the dropout rate was high, and therefore, it might be more feasible to integrate green spaces into palliative care wards.

Das übersetzte Abstract in Deutsch – Übersetzt mit Google-Translate

Zweck

In einer Palliativpflege ist die Erhaltung der Lebensqualität von besonderer Bedeutung. Die Gartentherapie (HT) gilt als hervorragendes Mittel zur Verbesserung des körperlichen und psychischen Wohlbefindens, zur Verringerung von Angstzuständen und Depressionen sowie zur Förderung der sozialen Interaktion. Der Einsatz gärtnerischer Interventionen in der Palliativmedizin wurde noch nicht untersucht. Ziel dieser Studie war es, die Auswirkungen von HT bei Patienten und Teammitgliedern auf einer Palliativstation zu untersuchen.

Methoden

Diese Studie basierte auf einer qualitativen Methodik, bestehend aus 20 semistrukturierten Interviews mit 15 fortgeschrittenen Krebspatienten, die an HT teilnahmen, und mit 5 Mitgliedern des Palliativteams. Die Interviews wurden mit NVivo 10-Software basierend auf thematischer Analyse analysiert.

Ergebnisse

Die Ergebnisse zeigten die folgenden Themen: (1) Wohlbefinden, (2) Variation der klinischen Routine, (3) Schöpfung und (4) Aufbau von Beziehungen. Die Patienten erlebten eine positive Stimulation durch HT, wurden vom klinischen Alltag abgelenkt, waren kreativ tätig und konnten Beziehungen zu anderen Patienten aufbauen. HT wurde auch von den Mitgliedern des Palliativteams begrüßt. 36% der Patienten erfüllten die Einschlusskriterien nicht, und 45% konnten nicht an der zweiten oder dritten HT-Sitzung teilnehmen.

Schlussfolgerungen

Unsere Studie zeigte, dass die Verfügbarkeit von HT sowohl von den Patienten als auch vom Palliativteam sehr geschätzt wurde. Trotzdem war die Abbrecherquote hoch, und daher wäre es möglicherweise praktikabler, Grünflächen in Palliativstationen zu integrieren.

Das übersetzte Abstract in Deutsch – Übersetzt mit DeepL

Zweck

In der Palliativmedizin ist die Erhaltung der Lebensqualität von besonderer Bedeutung. Die Gartenbau-Therapie (HT) gilt als eine ausgezeichnete Möglichkeit, das körperliche und psychische Wohlbefinden zu verbessern, Ängste und Depressionen zu reduzieren und die soziale Interaktion zu fördern. Der Einsatz von gärtnerischen Maßnahmen in der Palliativmedizin ist noch nicht erforscht. Ziel dieser Studie war es, die Auswirkungen von HT bei Patienten und Teammitgliedern auf einer Palliativstation zu untersuchen.

Methoden

Diese Studie basierte auf einer qualitativen Methodik, die 20 semistrukturierte Interviews mit 15 fortgeschrittenen Krebspatienten, die an der HT teilnehmen, und mit 5 Mitgliedern des Palliativpflegeteams umfasste. Die Interviews wurden mit der NVivo 10 Software auf der Grundlage einer thematischen Analyse analysiert.

Ergebnisse

Die Ergebnisse zeigten die folgenden Themen: (1) Wohlbefinden, (2) Variation der klinischen Routine, (3) Schaffung und (4) Aufbau von Beziehungen. Die Patienten erlebten eine positive Stimulation durch HT, wurden vom klinischen Alltag abgelenkt, genossen kreative Arbeit und konnten Beziehungen zu anderen Patienten aufbauen. HT wurde auch von den Mitgliedern des Palliativteams begrüßt. 36 Prozent der Patienten erfüllten nicht die Einschlusskriterien, und 45 Prozent konnten nicht an der zweiten oder dritten HT-Sitzung teilnehmen.

Schlussfolgerungen

Unsere Studie zeigte, dass die Verfügbarkeit von HT sowohl von den Patienten als auch vom Palliativteam sehr geschätzt wird. Dennoch war die Abbrecherquote hoch, so dass es sinnvoller sein könnte, Grünflächen in die Palliativstation zu integrieren.

Schlussfolgerungen

An dieser Stelle wäre es spannend, wenn jemand mit linguistischem Hintergrund die Ergebnisse der drei Übersetzungen im Detail analysieren würde – mir fehlt dazu leider das grundlegende Handwerkszeug. Nichtsdestotrotz: dort wo Google

„Die Gartentherapie (HT) gilt als hervorragendes Mittel zur Verbesserung des körperlichen und psychischen Wohlbefindens, zur Verringerung von Angstzuständen und Depressionen sowie zur Förderung der sozialen Interaktion.“ (Google Translate)

als Ergebnis ausgibt, kommt DeepL zu einem leicht anderen (und aus meiner Sicht) adäquaterem Ergebnis, das insgesamt weniger superlativlastig, flüssiger zu lesen und organischer wirkt:

„Die Gartenbau-Therapie (HT) gilt als eine ausgezeichnete Möglichkeit, das körperliche und psychische Wohlbefinden zu verbessern, Ängste und Depressionen zu reduzieren und die soziale Interaktion zu fördern.“ (DeepL)

Besonders deutlich wird dies aus meiner Sicht nochmals bezogen auf die Übersetzung des Ergebnisteils:

„Die Ergebnisse zeigten die folgenden Themen: (1) Wohlbefinden, (2) Variation der klinischen Routine, (3) Schöpfung und (4) Aufbau von Beziehungen.“ (Google Translate)

Was hier mit „Schöpfung“ gemeint ist, erschließt sich nicht auf den ersten Blick, DeepL erzeugt aus dem Originaltext folgende Passage:

„Die Ergebnisse zeigten die folgenden Themen: (1) Wohlbefinden, (2) Variation der klinischen Routine, (3) Schaffung und (4) Aufbau von Beziehungen.“ (DeepL)

Hier wird aus meiner Sicht der Kontext deutlich klarer, es geht um das „Schaffen“ von etwas und nicht um „Schöpfung“. Erleichterung, Freude, Aktivierung und Bedeutung (wie im Volltext der Arbeit dargelegt) werden aus meiner Sicht eher geschaffen als im Rahmen einen Schöpfungsgeschehen kreiert. Wie gesagt, Linguist*innen könnten hier sicher wesentlich mehr beitragen, vielleicht meldet sich jemand in den Kommentaren?

Randnotiz

Prinzipiell ist auch die Übersetzung von langen Texten beziehungsweise vollständigen Arbeiten mit DeepL möglich, die kostenlose Version des Service ist allerdings auf 5.000 Zeichen begrenzt – das führt dazu, dass man Text in mehrere Blöcke aufteilen und dann in einem gesonderten Dokument wieder zusammenführen muss. Aus meiner Sicht ist das allerdings die „Mühe“ (unter großen Anführungszeichen) wert, die Ergebnisse sind an sich gut verwertbar und es macht einfach mehr Spaß Texte in seiner Muttersprache zu lesen.

Fazit

Selbst wenn man wenig Zeit hat und im klinischen Alltag gut ausgelastet ist: Um sich einen raschen Überblick zu verschaffen und komplizierte Zusammenhänge in seiner Muttersprache lesen zu können eignet sich DeepL meiner Meinung nach sehr gut. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass sich zum Beispiel Journal Clubs als Austauschformat zwischen Kliniker*innen auf diese Weise leicht(er) organisieren lassen1, Englisch stellt oft eine recht hohe Einstiegshürde dar und DeepL kann helfen, diese ein bisschen zu senken.

Probiert’s doch mal aus!

Weblinks

  1. Ich würde aber in diesem Zusammenhang trotzdem empfehlen, dass zumindest eine Person den entsprechenden Artikel auch auf Englisch liest.

Autor*in

Markus Kraxner

Markus Kraxner hat seine Ausbildung 2010 an der Akademie für den ergotherapeutischen Dienst des Landes Kärnten abgeschlossen. Er war mehrere Jahre im akutpsychiatrischen Setting tätig, seit 2015 arbeitet er als Hochschullehrender an der Fachhochschule Kärnten. Sein berufsbegleitendes Masterstudium hat er 2017 abgeschlossen. Den handlungs:plan hat er 2010 ins Leben gerufen und ist seitdem inhaltlich und redaktionell hauptverantwortlich für die Website. Lebenslauf | Weitere Informationen

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