Ergotherapie im Web

Flux—Einfache Bildschirmarbeitsplatzadaption für belastete Augen und bei Schlafstörungen

Bildschirmarbeit nimmt zu (verlinktes PDF, Grafik Seite 25)—und hat zahlreiche negative Effekte auf unsere, eigentlich nicht für diese Arbeit gemachten, Organsysteme. Reduzierte Blinzelhäufigkeit, Verspannungen im Hals- und Nackenbereich und das lange Sitzen wirken sich—beim Fehlen von Maßnahmen die den jeweiligen Entwicklungen entgegensteuern—dauerhaft negativ auf uns aus. All das wissen Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten, aber ein zusätzlicher Faktor, der einen wesentlichen Einfluss auf den menschlichen Schlaf haben kann, wird meiner Einschätzung nach in der Regel zu wenig beziehungsweise kaum beachtet: die Farbtemperatur der Bildschirme. (Artikelbild von Don McCullough via Flickr)

Bildschirmfarbtemperatur, Melanopsin und der zirkadiane Rhythmus

Moderne (LCD-)Bildschirme werden ab Werk meist auf eine Farbtemperatur von 6.500 Kelvin kalibriert—dem gegenüber steht eine (international normierte) Farbtemperatur von 5.500 Kelvin für „mittleres Sonnenlicht“. Das bedeutet, dass Bildschirme mehr Anteile an blauem Licht abstrahlen als die Sonne, je mehr Kelvin die Farbtemperatur hat, desto blauer ist das Licht—dieser Umstand sei hiermit festgehalten.

Farbtemperaturskala
Grafik via Wikipedia CC-BY-SA

Melanopsin ist ein Protein, das beim Menschen ausschließlich in den Nervenzellen des Auges vorkommt, und dort für die Wiedergabe der Umgebungshelligkeit zuständig ist. Die Umgebungshelligkeit wiederum hat Einflüsse auf die zirkadiane Rhythmik des Menschen—auch dieser Umstand sein hiermit festgehalten.

Unter der Zirkadianen Rhythmik versteht man schlussendlich die „innere Uhr“ des Menschen, die unter anderem den Schlaf-Wach-Rhythmus steuert—der wie oben erwähnt (auch) von der Umgebungshelligkeit und deren Farbtemperatur abhängt. Eine Störung dieses Rhythmus, die die meisten bereits am eigenen Körper erfahren haben dürften, tritt zum Beispiel bei Reisen in andere Zeitzonen als „Jetlag“ auf.

Der Einfluss von blauem Licht auf die zirkadianen Rhythmen

Die ersten Effekte von blauem Licht und deren Einfluss auf den zirkadianen Rhythmus wurde bereits 1958 festgestellt, eine schöne Zusammenfassung der Entwicklung findet sich im verlinkten PDF weiter unten. In Basel wurde in einer Arbeit aus dem Jahr 2011 festgestellt, dass die Exposition von blauem Licht zu einer höheren kognitiven Leistungsfähigkeit in bestimmten Bereichen sowie zu einer prolongierten Einschlafphase durch verzögerte Melatoninausschüttung führt, die Arbeit ist ebenfalls verlinkt, eine kurze Zusammenfassung der Erkenntnisse fand sich auch in der New York Times [Archivlink].

Kurz zusammengefasst lässt sich sagen, dass blaues Licht wach macht, wer am Abend mehrere Stunden vor einem Standard-LCD-Bildschirm verbringt, braucht deutlich länger zum Aufbau des, für den Schlaf notwendigen, Melatoninspiegels und somit auch längere Zeit um einzuschlafen.

Arbeit an Computerarbeitsplätzen, Tageslicht und Adaptionsmöglichkeiten

Nun kann sich nicht jedermann aussuchen, wann, wieviel und wie lange am Computer gearbeitet werden muss, tendenziell kann man ohnehin davon ausgehen, dass die vor dem Bildschirm (Stichwort: Smartphone) verbrachte Zeit zunimmt und noch weiter zunehmen wird. Insbesondere in den Jahreszeiten mit geringerer Tageslichtdauer, also Herbst und Winter, kann die angesprochene Problematik bereits während der regulären Arbeitszeit auftreten—wer noch das Glück hat gerade ein Masterstudium zu absolvieren, verbringt tendenziell noch mehr Zeit vor dem Rechner, will aber in der Nacht trotzdem schlafen, um der Doppelbelastung durch Arbeit & Studium adäquat begegnen zu können.

Vor diesem Hintergrund kann es sich also nicht nur für Studierende, sondern auch bei der ergotherapeutischen Arbeit mit Klientinnen und Klienten, auszahlen, erstens über die prinzipielle Problematik und zweitens über Möglicheiten dieser zu begegnen Bescheid zu wissen. Und das lässt sich einfach, kostenlos und unaufwändig mit einem kleinen Stück Software namens Flux bewerkstelligen.

Automatische, tageszeitabhängige Änderung der Bildschirmtemperatur mit Flux

Flux ist ein kleines, kostenloses und leichtgewichtiges Programm, das sich primär für Windows, Mac OSX und Linux herunterladen und unaufwändig installieren lässt und die Farbtemperatur von LCD-Bildschirmen regelt, abhängig vom aktuellen Aufenthaltsort, der Jahreszeit und der Uhrzeit.

Einmal installiert, lassen sich Farbtemperatureinstellungen für die Zeitbereiche Tagsüber, Sonnenuntergang und Nacht festlegen, man kann aber auch die von Flux vorgeschlagenen Werte verwenden. Der aktuelle Aufenthaltsort des Computers lässt sich (auf Wunsch!) automatisch feststellen kann aber ebenso manuell eingegeben werden und dient dazu die Zeiten von Sonnenauf- und Sonnenuntergang bei der Anpassung zu berücksichtigen.

Flux Screenshot
Die Grundeinstellungen von Flux

Zusätzlich bringt Flux einen Nachtmodus (Ihr erinnert euch an diverse U-Boot-Filme und das Rotlicht auf der Kommandobrücke? So ähnlich könnt ihr euch das vorstellen) und einen Filmmodus (Kleinere augenfreundliche Farbveränderungen ohne das Gesamtbild zu sehr zu verfälschen) mit, und hat noch feinere Einstellungsmöglichkeiten für Kinder & Jugendliche und für das „Länger Schlafen“ am Wochenende. All das ist äußerst unkompliziert und nachdem man die Grundeinstellungen einmal vorgenommen hat, braucht man sich faktisch nie wieder darum zu kümmern.

Für diejenigen von euch (oder eurer Klientinnen und Klienten), die sich auch abends mit Bild- oder Videobearbeitung beschäftigen, ist veränderte Farbtemperatur natürlich ein Problem, Flux hat aber auch dafür eine Lösung eingebaut: Die Anpassung lässt sich für bestimmte Programme, die man selbst festlegen kann, auschalten, es kommt dann bei der Arbeit mit diesen Programmen zu keinen Darstellungsverfälschungen der Farben.

Ein ergotherapeutisches Fazit von Flux

Ich persönlich verwende Flux seit über einem Jahr konsequent, auch weil ich viele Dinge am Computer (so zum Beispiel auch das Schreiben dieses Artikels) erst abends erledigen kann—und ich möchte die „sanftere“ Darstellung nicht mehr missen. Wenn ich mir dann zu gleichen Tageszeit Bildschirme anschaue, die nicht „gefluxt“ sind, fühlt sich das mittlerweile sehr unnatürlich an.

Und für Klientinnen und Klienten, die viel am Bildschirm arbeiten (müssen), kann Flux eine zusätzliche Anpassungsmöglichkeit sein um die Arbeit möglichst angenehm zu gestalten und der Nachtruhe nicht im Weg zu stehen. Alle Interessierten sind zum Ausprobieren eingeladen!

Weblinks

Autor*in

Markus Kraxner

Markus Kraxner hat seine Ausbildung 2010 an der Akademie für den ergotherapeutischen Dienst des Landes Kärnten abgeschlossen. Er war mehrere Jahre im akutpsychiatrischen Setting tätig, seit 2015 arbeitet er als Hochschullehrender an der Fachhochschule Kärnten. Sein berufsbegleitendes Masterstudium hat er 2017 abgeschlossen. Den handlungs:plan hat er 2010 ins Leben gerufen und ist seitdem inhaltlich und redaktionell hauptverantwortlich für die Website. Lebenslauf | Weitere Informationen

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