Ergotherapie im Web

Podcast #007: Im Gespräch mit Anne G. Fisher – Zur Bedeutung der Aktivität in der Ergotherapie

Es war mir eine große Freude, kann ich als Fazit der Aufnahmen zu diesem Podcast nur sagen. Anne G. Fisher ist eine Ergotherapeutin mit einer mehr als beeindruckenden Vita: sie hat als eine der ersten zwei Personen in den USA einen Doktortitel im Bereich Ergotherapie erhalten, das AMPS (Assessment of Motor and Process Skills) sowie das OTIPM (Occupational Therapy Intervention Process Model) entwickelt, im Bereich der sensorischen Integration gearbeitet und publiziert, saß Wand an Wand mit Gary Kielhofner (Entwickler des Model of Human Occupation, verstorben am 02.09.2010) und hat momentan eine Professur an der ergotherapeutischen Fakultät der Universität von Umeå/Schweden inne. Zusätzlich ist sie eine sehr bescheidene und humorvolle Person, es hat einfach sehr viel Spaß gemacht, sich mit ihr zu unterhalten. Wie immer bei den Schweden-Podcasts in englischer Sprache… (Artikelbild von Michael Maasen via Unsplash)

Inhalt

Im Laufe von ca. 90 Minuten versuche ich, im mäandernden Gespräch mit Anne G. Fisher ihren bisherigen Werdegang zu beleuchten (was sich angesichts der langen Zeit, die sie bereits als Ergotherapeutin tätig ist, nicht so ganz einfach gestaltet), Einblicke in ihre Forschungsarbeit zu vermitteln, das AMPS kurz vorzustellen und die Wichtigkeit des Begriffes „Aktivität“ sowie die adäquate Zielsetzung im ergotherapeutischen Prozess zu herauszuarbeiten. Als gesprächstechnische Nebenschauplätze dienen unter anderem die Sensorische Integrationstherapie, kognitive Trainingsprogramme, OTIPM, der SIPT-Test und funktionsbezogene ergotherapeutische Interventionen.


Fazit

Beeindruckend in jeder Hinsicht! Anne G. Fisher vertritt teilweise (zumindest aus gewissen Blickwinkeln) radikale Ansätze, aber bei genauerer Überlegung ist diese Kompromisslosigkeit sehr gut dazu geeignet, das eigene therapeutische Vorgehen einmal gründlich zu hinterfragen und auf die tatsächliche ergotherapeutische Relevanz im Bezug zum Begriff „Aktivität“ zu überprüfen. Nebenbei kann Anne eine sehr interessante Lebensgeschichte vorweisen, alleine deshalb lohnt sich das Zuhören schon. Ein deutsches Transkript des Podcasts (angefertigt von to) ist übrigens wieder über die nachfolgenden Weblinks oder im Downloadbereich der Seite als PDF herunterladbar.

Weblinks

Ich wünsche euch viel Spaß beim Zuhören und hoffe, dass sich das Gespräch für euch als ebenso inspirierend herausstellt, wie es für mich gewesen ist. Feedback zum Podcast ist (wie immer) über den iTunes-Store, per Mail an podcast@handlungsplan.net oder im Kommentarbereich erwünscht und willkommen!

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Autor*in

Markus Kraxner

Markus Kraxner hat seine Ausbildung 2010 an der Akademie für den ergotherapeutischen Dienst des Landes Kärnten abgeschlossen. Er war mehrere Jahre im akutpsychiatrischen Setting tätig, seit 2015 arbeitet er als Hochschullehrender an der Fachhochschule Kärnten. Sein berufsbegleitendes Masterstudium hat er 2017 abgeschlossen. Den handlungs:plan hat er 2010 ins Leben gerufen und ist seitdem inhaltlich und redaktionell hauptverantwortlich für die Website. Lebenslauf | Weitere Informationen

16 Kommentare

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    • Das hoffe ich prinzipiell auch immer (*lach*) – da hilft nur weitersagen…Danke für die Rückmeldung, das ist wirklich, wirklich ein schönes Stück geworden, und ich bin auch heute noch sehr froh, dass ich die Gelegenheit hatte, dieses Gespräch mit Anne Fisher zu führen – wie auch im Podcast angesprochen: teilweise ein echter Augenöffner…

    • Dieser Podcast ist ein Juwel. Ich habe doch einige Zeit mit der Transkription verbracht und kam immer wieder zu der Erkenntnis, dass es eindeutig zu wenige Anne Fishers im Gesundheitsbereich gibt!

  • Weitersagen, unbedingt! Häufig stößt man jedoch auf taube Ohren, wenn es um das heikle Thema der “SI” geht, da man erst gar nicht versuchen will, die Dinge anders zu sehen und zu betrachten. Manchmal ist diese Diskussion sehr erschöpfend und anstrengend …
    Dass eine genaue Kenntnis über die Sensorik uns dabei hilft zu verstehen wie manches funktioniert und zusammenhängt, davon bin ich überzeugt. Die sensorischen Regelkreise sind ja nun mal vorhanden und arbeiten, man kann diese (denk ich) nicht völlig vernachlässigen. Ein reines Arbeiten an Funktionen und isolierten Fähigkeiten, ohne dabei Fertigkeiten (Aktivitäten, produktorientiertes Handeln wie auch immer) dabei zu trainieren, halte ich in vielen (nicht in allen) Fällen für zu wenig.

    • Das Problem bei dem scheinbaren “Konflikt” zwischen Sensorischer Integrationstherapie nach Ayres und aktivitätsorientierten Ansätzen ist mir zwar in den Grundzügen bekannt – ich selbst habe allerdings in pädiatrischen Dingen nicht die nötige Erfahrung vorzuweisen, damit ich hier ein fundiertes Statement abgeben kann.

      Grundsätzlich sind mir rein funktionelle Ansätze allerdings recht zuwider – und der wissenschaftliche Beweis für die Wirksamkeit in den Bereichen, die SI für sich in Anspruch nimmt, steht meines Wissens noch aus, übrigens genau so wie beim Bobath-Konzept (dazu gab es einen langen, von einer Studentin verfassten, Artikel in der letzten Ausgabe der österreichischen Verbandszeitschrift). Und es gibt sicher einen Grund, warum Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten, die schon lange in der Pädiatrie arbeiten, sich mittlerweile teilweise auch recht stark vom Behandlungsansatz nach SI wegbewegen – obwohl das eine Zeit lang sehr en vogue war.

      Ich bin, von meinem jetzigen Standpunkt aus gesehen, ganz bei Anne Fisher: “…wenn innerhalb von drei Einheiten nichts passiert ist, sollte man sich etwas anderes überlegen und nicht jahrelang weitertherapieren…”

  • Es wäre schön, wenn dieses Interview einer breiteren ergotherapeutischen Öffentlichkeit zugänglich gemancht werden könnte. Es wäre auch mein Traum – so wie Annes – wenn die Ergotherapie vom funktionellen Denken weg zum betätigungsorientierten käme.
    Anne hat überwiegend das Wort activity benutzt, für den deutschsprachigen Raum sollte man es mit Betätigung übersetzen oder für manche Gegenden der Schweiz und Österreichs mit Handlung.

    • Tja, noch breiter als im Internet kann die Öffentlichkeit meiner Einschätzung nach gar nicht sein…wird schon werden, denke ich: Anne Fisher hat mir als Rückmeldung eine Verlinkung des Artikels von der AMPS-Homepage zugesagt – und ein bisschen Eigeninitiative darf man sich von Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten auch erwarten – auch wenn die meisten immer furchtbar beschäftigt sind…aber wenn du diesen Artikel verlinkst oder per Mail weiter empfiehlst freue ich mich natürlich sehr.

      Mit der deutschen Terminologie hast du natürlich recht – das war mir allerdings zum Zeitpunkt des Interviews noch nicht so klar – aber “Betätigung” klingt auch sehr gut, finde ich. Ich glaube auch, dass der “Traum” recht bald in Erfüllung gehen wird, wahrscheinlich schon in zwei bis drei Ergotherapie-Generationen: bei meinen Studienkolleginnen, die in sehr funktionell orientierten Institutionen tätig sind, macht sich teilweise schon leichtes Unbehagen bemerkbar, wenn sie sich fragen wo der Alltag bleibt. Ich denke auch, dass mit Wandel der Ausbildung, wie er zurzeit in Österreich stattfindet, auch einiges in dieser Richtung passieren wird.

      Falls du selbst etwas beitragen willst: wir freuen uns jederzeit über Gastartikel zu ergotherapeutischen Themen und wir suchen auch noch ständige Mitglieder im Autorenteam…hast du Spaß am Schreiben?

      Mitte 2011 erscheint übrigens (zumindest wenn nichts dazwischenkommt) ein Podcast zu den Themen CMOP, COPM und betätigungsorientierten Assessments – ich freu’ mich schon sehr auf das Interview…

  • Das Gespräch mit Anne Fisher hat auch mich sehr beeindruckt und einige Fragen, die ich mir schon sehr lange stelle, berührt. Eine wichtige ist die nach dem Klienten: Ist wirklich immer der Patient der Klient oder sind es die Personen, die ein Problem mit dem Patienten haben?

    Sie gibt hier das Beispiel eines depressiven Patienten, der sterben will. Wie sieht eine verantwortungsvolle Therapie aus? Muss man den Willen des Patienten akzeptieren oder hat man nicht die Verpflichtung, den Menschen vor sich selbst zu schützen? Das ist eine ganz schwierige Frage und es gibt sehr viele Grenzbereiche, in denen man Argumente für beide Vorgehensweisen findet. Ich persönlich würde Anne Fisher hier zustimmen, wenn sie sagt, das Problem haben zuerst einmal die Personen, die mit diesem Menschen umgehen müssen. Aber es wäre in meinen Augen falsch, den depressiven Menschen allein zu lassen. Das Ziel der Therapie spielt hier doch dann die entscheidende Rolle: Etwas zu finden, an dem die Person Interesse haben könnte. Und das halte ich für eine ziemlich schwierige Angelegenheit, denn schließlich wird dieser Mensch nicht darüber sprechen können, was ihn in dieser Situation denn eigentlich noch interessiert. Und wie sieht das Ziel für das Umfeld aus (für dessen Therapie wir ja eigentlich erst mal keinen Auftrag haben)? Darauf hinarbeiten, dass sie den Wunsch des Patienten akzeptieren? Oder doch: Gemeinsam mit dem Therapeuten etwas finden, was den Menschen von seinem Vorhaben abhält? Und was ist dann wieder mit der Würde des Patienten und seinem Recht auf Selbstbestimmung?

    Trotzdem, an sich gefällt mir ihr Ansatz sehr. Ich glaube nur, wenn ich ehrlich bin, brächte der mich persönlich an meine Grenzen. Überdies darf man dabei auch nicht das System vergessen, in dem sich Ergotherapie bewegt. Ganz so frei ist das ja leider nicht …

    • Die Fragestellung “Wer ist der Klient?” wurde auch während meines Praktikums in Schweden immer wieder diskutiert – weniger in der Handchirurgie als z.B. in der Neurorehabilitation – und allgemeingültige Antworten zu formulieren scheint kaum möglich zu sein.

      Prinzipiell empfinde ich den klientenzentrierten Ansatz als den richtigen – es liegt auf der Hand, dass Patientinnen und Patienten mit eingeschränkten oder nicht mehr vorhandenen kognitiven oder kommunikativen Funktionen einen “Stellvertreter” brauchen, der zur Formulierung von Therapiezielen beiträgt bzw. herangezogen wird, das COPM ist auch diesbezüglich ausgelegt. Hierbei kann es sich z.B. um Betreuungspersonal oder Angehörige handeln, sofern man davon ausgehen kann, dass diese den Patienten und seine Wünsche kennen und repräsentieren können.

      Um auf das Beispiel mit dem depressiven Patienten zurückzukommen: ich gebe dir recht, dass in diesem Fall die Zielfindung der entscheidende Faktor ist (und sicherlich auch längere Zeit benötigen kann), ich persönlich würde in diesem Fall versuchen über biographische Ansätze herauszufinden, was für die betreffende Person relevant ist oder war – und anschließend versuchen einen betätigungsorientierten Ansatzpunkt für die Therapie zu finden. Bei dieser Vorgehensweise muss das Umfeld ohnehin miteinbezogen werden – schlussendlich wird die Rollenverteilung “Patient-Klient” immer von den individuellen Fähigkeiten abhängen, denke ich.

      Es ist alles nicht ganz so einfach (wie meistens) und ich tue mir recht schwer hier einen klaren Standpunkt zu beziehen – sicherlich auch, weil mir einfach noch die notwendige Berufserfahrung fehlt. Ich bin auch schon sehr gespannt, ob mich dieser Ansatz auch an meine Grenzen bringt – ich denke allerdings, dass es nicht jedes Mal so schwierig sein wird wie bei diesem Beispiel…

      Ein Beispiel für Klientenzentriertheit, dass ich sehr schön gefunden habe, war der Fall eines 10-jährigen Mädchens mit einer sehr komplexen Handverletzung: für sie haben wir i.R. der Ergotherapie eine Protektionsschiene für die Hand angefertigt, die ausschließlich den Zweck hatte, die Hand bei einem Jahrmarktsbesuch vor Verletzungen beim Karussellfahren zu bewahren – vor dem Hintergrund, dass diese Aktivität einfach zur Rolle eines Mädchens dieses Alters gehört. Das wäre in den Institutionen, die ich kenne nicht so ohne weiteres möglich gewesen.

      Und mit dem Hinweis auf vorhandene Systeme hast du 100%ig recht – den Stellenwert und die Aufgabengebiete der Ergotherapie aus dem funktionsorientierten Kontext herauszulösen, und zu einem betätigungsorientierten Ansatz hin zu entwickeln dauert sicher noch Jahre, wird aber schlussendlich (hoffentlich) unvermeidlich sein…

  • Ich habe gerade gesehen, dass es ein Forschungsprojekt der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften gibt, mit dem Ziel die Validität des AMPS 1.) für den mitteleuropäischen Raum und 2.) für die Anwendung bei Kindern zu überprüfen. Die Forschungsgruppe bittet um weitere Daten von AMPS Ratern. Nähere Informationen gibt es beim DVE: Mitmachen wird übrigens finanziell honoriert. Beiträge zur Aufnahme in die Datenbank können eingereicht werden bis Ende Juni 2011.
    Das könnte vielleicht für einige Leser dieser Seite interssant sein, oder?
    LG Silke

  • Ein großartiger Podcast! Als Vorbereitung auf den AMPS Kurs besonders toll. Ich freue mich schon auf den Kurs in Wien nächste Woche und darauf, Ann Fisher kennenzulernen und den Blick auf Aktivitäten und Betätigung mit KollegInnen zu schulen.

    • Danke für die Blumen! Ich drück’ die Daumen, dass die AMPS-Fortbildung diesmal auch wirklich zustande kommt, bisher hat es glaube ich immer ein bisschen an den Teilnehmerzahlen gehapert…

      Viel Spaß – und richte ruhig liebe Grüße von mir aus, mal sehen, ob sie sich noch erinnert…

  • Working in mental health and using AMPS & ESI, I appreviated hearing this interesting interview hearing what shaped the thinking underneath these approaches – thank you!

    Some of the same dilemas Anne shared are faced by the profession as we increasingly engage with refugees who may experience occupational problems that are “disabling” but do not have a “diagnosis” and are not “diseased”.

    What creates more occupational performance and wellbeing in life roles, may not be “therapy” for “performance components” which OT is historically known for. It might begin with creating occupational opportunities, which may recquire OTs to engage with different sectors in different ways.

    So I’ve watched OTs engage with a “new” population in polarised ways – OTs doing outreach of traditional/medically orientated therapy to refugees with disabilities in refuge camps etc. At the same time OTs are doing non-traditional roles in non-health agencies when refugees are settling into a new world having a humanitarian visa. Two very different approaches, but also two very different cultures and contexts of practice. . .

    So the podcast was a really interesting to hear some historical reflections and context. . . thanks again.

    • Thanks for your feedback, Clarissa. It would have been nice to know, in which country you actually work, maybe you’ll find some time to post this.

      I just like to say, that OT & OT’s in general are in a very exciting phase in German-speaking countries right now, the dilemmas you mentioned are perceivable here too…

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