Ergotherapie im Web

Workshop: Arbeit am Tonfeld mit Gerhild Tschachler-Nagy

Jetzt wird’s aber wieder tüchtig schwierig – und wieder einmal lerne ich die Tätigkeit des Bloggens als Verarbeitungskatalysator und Reflexionsinstrument zu schätzen. Eines gleich vorneweg: ich bin mit den theoretischen Hintergründen nicht wirklich vertraut, die Grundlagenforschung, die der Methode zugrundeliegt, ist mir großteils unbekannt. Informationen die ich zu diesem Thema hier publiziere sind der Homepage “Arbeit am Tonfeld” entnommen und können dort nachgelesen werden, eine Link-Liste für Interessierte, die sich vertiefend mit der Thematik beschäftigen wollen, sowie eine Liste verfügbarer Literatur findet sich im Anschluss an den Artikel. Meine persönliche Wortverarbeitungskompetenz war während des Workshops auf das Höchste gefordert (was im Klartext bedeutet, dass ich ca. 40% des Gesagten auf intellektueller Ebene nachvollziehen konnte). Ich erhebe an dieser Stelle  nicht den Anspruch eine fachkompetente Meinung zu vertreten sondern gebe ausschließlich meine eigenen, höchst subjektiven Erfahrungen und Assoziationen wieder. So, genügend abgesichert, dann kann’s ja losgehen… (Artikelbild von
Alex Jones via Unsplash)

Die allwissende Müllhalde hat zur Arbeit am Tonfeld nicht allzu viel zu sagen, dort ist das Thema in drei fünf Zeilen abgehandelt. Die Geschichte der Kunsttherapie ist umfangreich, erste Ausdrücke von inneren Bildern finden sich z.B. bei Francisco de Goya, Edvard Munch und Frida Kahlo. Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts entwickelte sich kunsttherapeutische Ansätze im englischsprachigen und europäischen Raum, im deutschsprachigen Bereich kamen unter anderem Einflüsse der Anthroposophie, der Outsider Art und des Action Painting hinzu. Die Anwendungsgebiete der Kunsttherapie erstrecken sich vom präventiven über den akutmedizinischen bis hin zum rehabilitativen Arbeitsbereich. Zentrale Elemente sind die Triade Patient-Medium-Therapeut und der Ausdruck des inneren Bildes von Patientinnen und Patienten über ein Medium um neue Fähigkeiten und Problemlösungsstrategien zu entwickeln. Soviel zur Abschreibübung, Interessierte mögen sich selbst weiterbilden – das Netz ist groß…

Die Arbeit am Tonfeld wurde in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts von Professor Heinz Deuser entwickelt, der die Annahme postulierte, dass  durch die Art & Weise des Ergreifens eines Gegenstandes dieser eine zutiefst individuelle Bedeutung für die ergreifende Person erhält. In weiterer Folge entwickelte Deuser – da er mit den Möglichkeiten die sich durch die Beobachtungen des Ergreifens von Gegenständen nicht zufrieden war – das Tonfeld als gestalterisch-kreatives Medium, das Beziehungs- und Handlungsfeld darstellt. Als “Hilfe” beim Verständnis der Gestaltwerdung im Material dienten ihm die Arbeiten von Erich Neumann und C.G. Jung. Zahlreiche zusätzliche Arbeiten – unter anderem von  von Weizsäcker, Holst, Mittelstaett – wurden von ihm zum Verständnis der zugrundeliegenden Prozesse herangezogen und eine schiere Unzahl weiterer Einflüsse – unter anderem Piaget und Winnicott – spielten ebenfalls eine Rolle. Die zentrale Aussage der Arbeit am Tonfeld lautet “Bewegung wird Gestalt”, die Ausbildung zum Tonfeldtherapeuten dauert im längsten Fall drei Jahre. Diese und weitere Informationen finden sich ausführlich dargestellt auf der oben genannten Homepage.

Was ist denn nun dieses Tonfeld? Im Wesentlichen ein Rahmen aus Holz, ca. 1m x 1m groß, gefüllt mit Ton…nichts weiter. Im Rahmen der Selbsterfahrung hatten wir als Workshopteilnehmer die Möglichkeit uns selbst daran auszuprobieren – der Workshop wurde von Gerhild Tschachler-Nagy geleitet, die das Institut für haptische Gestaltbildung Wien-Kärnten leitet (und ohne Zweifel eine sehr charismatische Persönlichkeit ist). Als “Experimentierender” arbeitet man mit geschlossenen Augen und beiden Händen in sitzender Position, den eigenen Impulsen folgend, gestalterisch-kreativ am Tonfeld – die Anleitung zum Tun erfolgt eher zurückhaltend – darauf vertrauend dass die Hände die “Problemstellung” im Ton selbst zum Ausdruck bringen. Und interessanterweise scheint das tatsächlich zu funktionieren – bei fast allen Workshopteilnehmerinnen und –teilnehmern übernahm nicht der Kopf sondern der Bauch die Regie. Für mich als ausgesprochenen Kopfmenschen war das Erleben im Gestalten extrem faszinierend, während der Wartezeit wurden gestalterische Pläne geschmiedet, Verhaltensweisen durchdacht – und in der Handlung ZACK!, nichts mehr da, das “was auch immer” übernahm das Kommando. Das Vorher-Nachher am Tonfeld ist auf den Bildern zum Artikel zu sehen, ich fühlte mich danach sehr zufrieden und ein bisschen wacher als sonst. Ich maße mir nicht an generelle Aussagen über die anderen Personen zu treffen, getraue mich allerdings festzuhalten, dass alle irgendwie “berührten und berührt wurden”.

Die Anwendung des Tonfelds im streng ergotherapeutischen Kontext erschloss sich mir persönlich allerdings nicht – zumindest nicht ohne die Ausbildung zum Tonfeldtherapeuten zu absolvieren – und das hat mehrere Gründe (nochmals sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ich an dieser Stelle meine persönliche Meinung äußere):

  • Der Effekt auf Wahrnehmungsstimulation ist definitiv gegeben, ich teile auch die Einschätzung der Vortragenden, dass nicht erlebte Entwicklungsschritte mittels des Tonfeldes nachgeholt werden können – aber mit systemischen Modellen, die innerfamiliär Generationen umfassen kann ich mich einfach nicht anfreunden.
  • Ich verspüre prinzipiell Abneigungen gegen Therapiekonzepte die m.E. nach nicht nach wissenschaftlichen Kriterien erforschbar sind – und das ist ein Problemfeld der gesamten Kunsttherapie an sich – wie aber auch bei anderen Konzepten die innere Ablehnung meinerseits hervorrufen, stelle ich die heilsame Wirkung auf Klientinnen und Klienten nicht infrage.
  • Mir sind die potentiellen Problemfelder die auf diese Weise angerührt werden können (z.B. in der Traumaarbeit),  generell “zu heiß” um von einer Einzelperson in der jeweiligen Situation bewältigt zu werden – das ist nicht mein Topf Suppe…
  • Wenn das Wort “Astrologie” in Zusammenhang mit Grundlagen des Therapiekonzepts fällt, bekomme ich Hautausschlag…

Möglich, dass ich hier einen sehr “verkopften” Standpunkt vertrete, dies scheint meinem Naturell zu entsprechen – aber Meinungen diktiere ich nicht, wer sich angesprochen fühlt, möge eine Diskussion im Kommentarbereich anzetteln…

Weblinks:

  • Homepage “Arbeiten am Tonfeld”: hier
  • Homepage “Gerhild Tschachler-Nagy”: hier (auf künstlerischer Ebene übrigens m.E. nach eine sehr begabte Keramikerin – und das Webseitendesign finde ich einfach nur sensationell)
  • Amazon-Suchergebnisse zum Thema “Tonfeld”: hier (leider sind viele Publikationen momentan nicht erhältlich)
  • Amazon-Suchergebnisse zum Thema  “Gerhild Tschachler-Nagy”: hier

Autor*in

Markus Kraxner

Markus Kraxner hat seine Ausbildung 2010 an der Akademie für den ergotherapeutischen Dienst des Landes Kärnten abgeschlossen. Er war mehrere Jahre im akutpsychiatrischen Setting tätig, seit 2015 arbeitet er als Hochschullehrender an der Fachhochschule Kärnten. Sein berufsbegleitendes Masterstudium hat er 2017 abgeschlossen. Den handlungs:plan hat er 2010 ins Leben gerufen und ist seitdem inhaltlich und redaktionell hauptverantwortlich für die Website. Lebenslauf | Weitere Informationen

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